Culture Club & Boy George in Köln, Palladium 04.12.2018

 

Culture Club hätten damals ihren Namen nicht besser wählen können: Sie sind ein Stück Pop-Kultur. Am 4. Dezember 2018 verwandeln sie das Palladium Köln in einen Culture Club.

 

Als „Do you really want to hurt me“ rauskam, war ich 11 Jahre alt, Boy George meine erste große Fanliebe, „Kissing to be clever“ das allererste Album, das ich mir je von einem Künstler gekauft habe - damals noch auf MC, denn ich besaß zu dieser Zeit noch keinen Plattenspieler. Meine Zimmerwand war von oben bis unten mit BRAVO-Postern und Artikeln von Culture Club tapeziert und ich schwärmte von Georges mysteriösen Augen. Die Gerüchte, er wäre schwul, prallten an mir ab. Natürlich klebten irgendwann neue Gesichter neben Boy George, z.B. die von George Michael oder John Taylor. Boy George blieb jedoch meine erste (Fan)Liebe und hat mich besonders geprägt.  „Kissing to be clever“  habe ich bis heute aufbewahrt. Es ergab sich damals nie die Möglichkeit eines ihrer Konzerte zu besuchen. Dies hole ich nun, 36 Jahre später, nach und  sehe  Culture Club & Boy George am 4. Dezember im Kölner Palladium live:

 

Schlange vorm Palladium

Als ich im Palladium um 18.40 Uhr ankomme, hat der Einlass bereits begonnen. Zum Glück bewegt sich die Schlange recht zügig und keiner schuppst oder drängelt. Ein erster Blick: Alles gut mit dem Publikum, vorwiegend mein Alter (71er Jahrgang), viele Frauen, Grüppchen, hinter mir ein Pärchen mit ihrer kleinen Tochter, maximal 10 oder 11, die anscheinend keinen Babysitter gefunden haben oder die ihre Tochter einfach für Culture Club begeistern konnten. Meine eigene Tochter habe ich ebenfalls mitgeschleppt. Sie ist 14 und hatte sich sofort bereiterklärt, mich zu begleiten. Denn mein Mann hatte keine Lust und sie mag Culture Club.  Die Security wirft einen Blick in meine Handtasche und schwupp stehe ich schon im Vorraum. Vor der Snack- und Getränkebar tummelt es sich. Ich gehe die Treppe hinunter zu den Garderoben und Toiletten. Der Toilette statte ich noch einen schnellen Besuch ab, die Garderobe spare ich mir, um später schnell genug raus zu kommen. In der Halle sind weitere Bars geöffnet und ich komme ruckzuck an mein erstes Kölsch. Die Atmosphäre des Palladiums gefällt mir, es ist alles etwas intimer als in einer großen Megahalle. Mit meinem Kölsch in der Hand freue ich mich auf den Abend.  

 

80er Jahre Fachgespräche

Eine Vorband wird es nicht geben, erfahre ich von der Barkeeperin. Das finde ich gut. Es ist Montag und eine Vorband würde den Abend nur unnötig in die Länge ziehen. Man wartet ja doch nur auf den Haupt-Act. Es läuft 80er Jahre Musik vom Band. Ganz schnell komme ich mit Mitstehenden ins Gespräch.

 

„Mist, wie hieß die Band noch, die das singt? Der Sänger ist doch gerade erst gestorben. War das King? Ach, ne, der hat ja Love and Pride gesungen.“

 

„Das ist Dead or Alive. Pete Burns sah auch ziemlich schräg aus die letzten Jahre durch seine ganzen OPs.“

 

Um mich herum wird mitgesungen und mit den Hüften gewippt. „Ich find ja immer noch die Musik der 80er viel, viel geiler als die blöde 90er Jahre Musik“.

 

Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

Oben auf der Galerie tut sich was. „Da ist George, er hat einen pinken Hut auf. Oh mein Gott!“

 

„Da findet bestimmt gerade das Meet & Greet statt.“

 

„Jon Moss ist heute nicht dabei. Er hat die Tour abgebrochen, um bei seinen Kindern zu sein.“

 

„Ich war gespannt, ob das Konzert heute überhaupt stattfindet."

 

Tatsächlich haben Culture Club mehrere vorangegangenen Konzerte, wie z.B. in Zürich und Amsterdam, abgesagt. Offiziell wegen Terminschwierigkeiten. Schnell munkelte man, dass wohl eher zu wenig Karten verkauft wurden. Aber das Konzert heute findet statt, die Halle ist gut gefüllt, aber nicht ausverkauft.

 

Ab und an taucht in der Menge immer mal wieder eine Boy-George Kopie auf. Ein Look, der auch heute noch unverwechselbar ist: Hut, krasses Augen-Makeup, die langen Haare zu bunten Zöpfen gebunden. Es leben die 80er! Natürlich hat jede Generation seine Stars und Sternchen. Aber wir Kinder der 80er konnten Karneval als Boy George, Limahl, Madonna oder Cindy Lauper gehen. Fast alle Stars der 80er besaßen damals ihren eigenen verrückten Look. Das findet in diesen Ausmaßen heute einfach nicht mehr statt. Kaum jemand käme wohl auf die Idee als Lochi oder Ariana Grande zu gehen.    

 

There he is!

Es ist 20.05 Uhr. Für sechzig Sekunden wird es stockdunkel in der Halle, dann färbt sich die Bühne in blaues Licht. Roy Hay und Mikey Craig erscheinen auf der Bühne und stimmen „Love and God“ auf der Bassgitarre an, ein Lied aus dem neuen „Life“ Album, das ich sehr, sehr mag. Boy Georges Gesang setzt ein, Jubel bricht aus und da ist er: Glitzerhut, schwarze Haremshose mit wildem weißen Muster, schwarze Hemdjacke mit Goldbestickung, wieder etwas fülliger als noch vor fünf Jahren nach seiner Diät, mit seinem unverkennbaren Augen-Makeup. Boy George ist immer noch eine Erscheinung. Er begrüßt sein Kölner Publikum, versteht es miteinzubeziehen, was man nicht immer von allen Künstlern behaupten kann. Ich erinnere mich  z.B. an ein toll gesungenes, aber völlig emotionsloses Konzert von Mick Hucknall - Simply Red vor ein paar Jahren. Boy George aber weiss mit dem Publikum zu flirten und was man von ihm hören will.  „Do you really want to hurt me“, „Miracle“, „Victims“ (so schön) und „The War Song“. Zwischendurch aber auch immer mal wieder ein neueres Lied aus "Life". Die Mischung geht für mich auf.  „Time“, mein persönliches Culture-Club Lieblingslied, touched mich total und weckt Erinnerungen. George scheint Bock auf diesen Abend zu haben, gut gelaunt plaudert er mit dem Publikum: „Alles was ihr je über mich gehört haben mögt, ist wahr“, sagt er lachend. Ihm fällt auf, dass sich unter den Zuschauern auffallend viele Männer befinden. „Naja, wir sind ja auch in Köln“, so sein feixender Kommentar.  

 

Tributes to George Michael and David Bowie

Später ehrt er George Michael und singt „I’m your man“ sowie David Bowie Songs. "Let's dance" und ich tanze und singe und bin froh, heute hier zu sein. Nach hundert Minuten und den letzten Takten von „Karma Chameleon“ überlässt Boy George mit einer letzten schlichten Verbeugung, seinen Ur-Band Mitgliedern Roy Hay und Mikey Craig, den Backgroundsängern sowie dem Rest der Band die Bühne. Ein letzter Gruß von Roy und Mikey und dann ist es auch schon wieder vorbei. Und meine Tochter? Wer kann schon behaupten, dass das allererste Popkonzert, das man in seinem Leben besucht hat Culture Club war?

 

Love the 80’s, love this piece of 80's culture: the Culture Club & Boy George

 

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